Die Formulierung dieser Gedanken ist noch in Arbeit. Sie kann und wird sich vermutlich weiterentwickeln, und dieser Artikel sich damit ändern.
Warum?
Ich bin irgendwie ein „gearhead“, und das Thema Mobilität und Auto hat mich in meinem Leben viel beschäftigt, viel Geld gekostet, viel mentalen Raum eingenommen. Automobilhersteller haben schon zu meinen Kunden gezählt, und ich bin Nutzer ihrer Produkte in verschiedenen Kontexten. Und Mobilitätswandel interressiert mich im Rahmen der Klima-Debatte, da ich von meinem CO2 Fußabruck ja auch runterkommen muss und möchte. Das Auto hat in der Vergangenheit da nicht unerheblich zu beigetragen, meine „Lebensfahrleistung“ dürfte bis jetzt bei ca. 450.000km liegen.
Neben der persönlichen Motivation ist auch die Erkenntnis, das das Gessamtsystem „Auto“ (also inkl. Straßen und anderer Infrastruktur) die Grenze der Nutzbarkeit überschritten hat. So lange die Straßen frei waren, ist individuelle Mobilität mit dem eingenen KFZ eine tolle Sache gewesen. Die Nutzung der Infrastrukturflächen für das Auto macht aber deutlich, das es als Gesamtsystem nicht mehr funktioniert, und Korrekturen im Detail (mehr Parkflächen! mehr Spuren auf der Autobahn!) längst nicht den erwarteten und gewünschten Effekt hat. Der Flächenverbrauch und die Infrastrukturkosten zugunsten des KFZ werden berechtigterweise mehr und mehr in Frage gestellt.
„Das Auto“ ist eine grandiose Erfindung. Da im Moment die Kritik, nachgerade das „Bashing“ des Autos eher populär ist, finde ich es wichtig, auch anzuerkennen welchen Nutzen, welchen Komfort und welche Freiheit das Automobil uns für einige Generationen beschert hat. Mein erstes eigenes Auto (ein sehr gebrauchter, vipergrün-metallic farbener Golf 1) bedeutete für mich, meinen Vater nicht mehr um seinen Fiat Uno anbetteln zu müssen. Selber zu entscheiden, wann und wo ich hinfahren möchte. Nach einer Party auf der Grillhütte einfach auf der flachen Ladefläche im Schlafsack pennen zu können.
Ein bischen später endeckte ich „Auto“ auch als Hobby zum basteln, schrauben, tunen, als Sportgerät und vieles mehr. „Auto“ hat in meinem Leben also viel Zeit eingenommen. Ich erzähle das, weil ich deutlich machen möchte, das ich des undifferenzierten Autohassens unverdächtig bin.
Aber, ich stelle heute fest, das „Auto“ auch in meinem Leben mein Denken geprägt hat. Es hat Lebensentscheidungen beeinflusst. Wie und wo möchte ich leben, wie viel Platz benötige ich. Und an mir selber stelle ich fest, wie sehr sich das Vorhandensein von einem Auto und auf den ersten Blick völlig andere Entscheidungen gegenseitig beeinflussen. Ein Beispiel:
Als Hobby-Musiker (E-Bass) muss ich irgendwie Instrumente und Verstärker und Lautsprecher transportieren. Bassisten brauchen große Lautsprecher, damit es ordentlich klingt, gerade wenn man Rockmusik macht geht das nicht mit Miniaturlautsprechern. Was ich angeschafft habe, war diktiert vom Platz im Auto: es musste in den Golf mit umgeklappter Rückbank reinpassen. Zwei 4x10er Lautsprecher (wem das nix sagt: schwarze Kisten mit ca. 65x65x40cm³), ein Verstärker, zwei Bässe und ein bischen Kleingerödel. Schlafsack und Zahnbürste passten auf den Beifahrersitz. Im Laufe der Jahre tendierte die Ausrüstung potentiell dazu, mehr zu werden. Das Auto ist entsprechend gewachsen, heute sorgt ein Kombi für meine Transportbedürfnisse.
Aber: Hätte ich niemals ein Auto besessen, und diese Möglichkeit niemals gehabt, hätte ich vielleicht nur 1 Instrument mitgenommen. Und einen kleineren Verstärker gekauft. Und den Veranstalter vor Ort was hinstellen lassen, um auf der Bühne Gehör zu finden. Aber da das Auto sowie so da war, haben sich die Fragen nach anderen Möglichkeiten ja nie gestellt.
Ein anderes Beispiel: Für viele Menschen ist Möbelkauf fast ein Synonym für einen Besuch bei IKEA. Natürlich mit dem Auto. Niemand trägt einen PAX-Kleiderschrank zur Bushaltestelle und fährt mit dem ÖPNV nach hause. Ohne Auto, kaufe ich ein anderes Möbelstück in einem anderen Geschäft. Vielleicht im lokalen Möbelhause (von denen es nicht mehr viele gibt). Im Fachgeschäft. Oder beim Schreiner um die Ecke, der mit etwas nach Maß fertigt.
Des Pudels Kern
Mir fällt auf, das viele Menschen heute auf die Autofrage (Könnt ihr auf das Auto verzichten?) antworten, das es ja grundsätzlich richtig wäre darauf zu verzichten, aber bei ihnen halt nicht funktionieren kann. Und erwarten, das die „Autohasser“ ihnen (mundgerechte) Antworten liefern, wie sie ohne Aufwand und ohne Komfortverlust ihren Mobilitätsbedarf befriediegen können ohne eigenes Auto.
Das geht natürlich NICHT!
Kaum eine andere Mobilitätslösung bietet im Moment für viele Menschen einen vergleichbaren Komfort wie das eigene Auto. Daher wird es da keine Alternative geben, die genau das 1:1 ersetzen kann. Selbst ein Taxi mit kürzester Verfügbarkeitszeit und günstigen Kosten wird das nicht lösen, da für viele Menschen das eigene Auto noch zahlreiche Funktionen jenseits der Mobilitätsversorgung (erweiterte Wohnung, Altglassammlung, mobiles Gepäckschliessfach, Telefonzelle, Seitensprungzimmer…) übernommen hat.
Aber die Abhängigkeit beruht häufig auf euren eigenen Entscheidungen, die ihr vielleicht vor 15 oder 20 Jahren getroffen habt! Ihr lebt im Grüngürtel einer Großstadt? Das ist eine Entscheidung, die ihr nur getroffen habt weil ihr ein Auto habt! Die Tochter soll zum Musikunterricht in der 30km entfernten Stadt statt in die lokale Musikschule? Das ist eine Entscheidung, die ihr nur getroffen habt weil das Auto „eh da“ ist!
Auch die Rahmenbedingungen in der Planung von Wohnsiedlungen und Stadtentwicklung sind seid einigen Jahrzehnten immer selbstverständlich(er) von der Nutzung eines (oder mehrerer) eigenen KFZ ausgegangen. Das macht die Hürde sich aus der Abhängigkeit vom Auto zu lösen im Moment häufig größer.
In dem Moment, in dem ich mir bewusst mache welche Entscheidungen ich nur treffe weil das Auto da ist, oder welche Entscheidungen die Abhängigkeit vom Auto weiter persistieren, anstatt sie zu lösen, kann ich anfangen andere Entscheidungen zu treffen. Was bin ich bereit zu verändern, damit ich bestimmte Bedarfe nicht mehr habe? Welche Alternativen habe ich, meinen Bedarf anders zu befriedigen als mit der einfachsten Antwort: „mir dem eigenen Auto“?
Ausblick
Bei mir geht die Frage nach Veränderung im Kopf rum. Und mittlerweile frage ich mich nicht nur „wird es elektrisch? kann es schon autonom fahren?“ sondern auch „brauche ich wirklich noch ein eigenes KFZ? Welche Möglichkeiten habe ich, ohne eigenes KFZ auszukommen?“.
Carsharing ist bei mir im Ort leider nicht gut ausgebaut, aber es ist mittlerweile grundsätzlich vorhanden. Ein Cargo-Bike mit oder ohne Motorunterstützung könnte eigentlich den restlichen lokalen Bedarf für Einkauf und Baumarkt (ich bin und bleibe ein Bastler 😉 ) abdecken. Für alles Andere könnte man Bedarfsgerecht mieten – vom Kleinwagen über den Kombi bis zum Lieferwagen.
Die Fernstrecken erledige ich eigentlich ohnehin lieber mit der Bahn, wenn nicht gerade Gepäck (Musik, Trainingsmaterial, …) die Bahnreise schwierig machen.
Die Kosten? Kann man versuchen zu rechnen, zu erfassen, zu planen. Ich bin da entweder zu schlecht drin, oder in der Vergangenheit haben die Unwägbarkeiten des Lebens meine Planungen immer zerschossen. Ich glaube, von 10% Kosten rauf oder runter hängt keine Entscheidung ab. Klar ist, das wegfallende Kosten eines eigenen KFZ in anderen Bereichen wieder verbraucht werden – mehr Mietwagen, Carsharing oder Taxi-Nutzung. Höhere Investitionen in Fahrrad und entsprechender Kleidung. Wie und wohin sich mein Leben entwickelt, und damit der Mobilitätsbedarf im Detail, kann ich ohnehin nicht vorhersagen.
Noch habe ich ein eigenes Auto. Aber ich habe zunehmend das Gefühl, das es vermutlich mein letztes eigenes Auto sein wird.
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Sehr inspirierend und aktiv (und „Antreiber“ das Hashtags #autokorrektur auf Twitter) ist Katja Diehl @kkklawitter, meine Empfehlung: folgt ihr!